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„Wir möchten eine Verzahnung zwischen Vor- und Nachmittag. Sobald die Sporthalle frei ist, nutzen wir sie.“

Freya Pense ist 35 Jahre alt und kommt aus Göttingen. Sie ist Schwimmtrainerin, studierte in Chemnitz und arbeitet bereits seit 2016 für den ASC Göttingen. In der niedersächsischen Stadt mit 120.000 Einwohner:innen ist der Großsportverein bereits seit 2008 als Träger aktiv. Wie sich das entwickelt hat und was der mit 12.000 Mitgliedern zweitgrößte Sportverein Niedersachsens im Rahmen von SPORT VERNETZT umsetzt, lest ihr hier im Interview.

Freya, wie genau bist du zum Sport gekommen?

Durch meinen ersten Schwimmkurs bei der TWG 1861 mit sechs Jahren. Nach den regulären Schwimmabzeichen hatte ich noch nicht genug und bin in den Wettkampfsport reingerutscht. In Göttingen gibt es nur zwei große Schwimmvereine: Die TWG 1861 und den ASC Göttingen von 1846. Und beide stehen durchaus ein bisschen in Konkurrenz zueinander. Ich bin entsprechend bei der TWG im Schwimmen aufgewachsen. Mit 14 Jahren bin ich dann selbst als Trainerin aktiv geworden, hab meine C-Lizenz gemacht und bin bis heute ehrenamtlich als Trainerin dabei.

Und jetzt bist du aber bei der Konkurrenz vom ASC gelandet. Wie kam das?

Als Trainerin habe ich vorwiegend mit Grundschulkindern gearbeitet und sie in den Wettkampfbereich eingeführt. Durch diese Verbindung kam die Idee und das Interesse für ein Sportstudium zustande. Meine Masterarbeit habe ich dann schließlich über das ASC-eigene Projekt „fit für pisa+“ geschrieben, in dem es um die tägliche Sportstunde im Grundschulalltag und gesunde Ernährung geht. Und ist man erst mal Teil der großen ASC-Familie, möchte man so schnell nicht mehr weg. Seit 2016 arbeite ich nun beim ASC Göttingen.

Wie würdest du den ASC charakterisieren, was ist das für ein Verein?

Definitiv innovativ und visionär! Das ist das Erste, was mir zum ASC einfällt. Hier beim ASC wurde schon immer drei Schritte weitergedacht, hier wurden neue Ideen entwickelt. Bei uns geht’s um den Breitensport, den Spaß an Bewegung für Kinder, Jugendliche und alle anderen Altersgruppen. Leistung spielt in den Fachbereichen mit einer Leistungssportabteilung jedoch auch eine Rolle. Oder aber bei unseren Grundschulligen im Basketball, Fußball und Handball, die wir gemeinsam mit weiteren Kooperationspartnern organisieren. Viele dieser Visionen sind zudem durch unseren Vorstandsvorsitzenden Jörg Schnitzerling entstanden. Eine Mischung aus Familie, Freude am Sport und der Bewegung sowie Visionen für die Zukunft.

Was meinst du damit konkret?

Ein Beispiel: 2008 gab es bereits den Auftakt für unsere erste feste Kooperation mit einer Grundschule. Das ist sehr weit vorgedacht gewesen.

Womit genau habt ihr angefangen?

Mit der ersten Kooperation im Ganztag und Hort als Träger in einer Grundschule, in diesem Fall mit der Leineberg-Grundschule. Diese Art Kooperation hat sich seither fortgesetzt.

2008 habt ihr also die erste Grundschule als Träger übernommen. Was kam seitdem dazu? Habt ihr auch Kitas in eigener Trägerschaft?

Wir haben sechs eigene Kitas in Göttingen, alle unter anderem mit dem Schwerpunkt Bewegung und Sport. Sie befinden sich in unterschiedlichen Einzugsgebieten, also in ganz Göttingen verteilt. Ähnlich sieht es bei unseren Schulkooperationen aus. Hier sind es aktuell acht Trägerschaften sowie eine klassische Hortgruppe, in die Kinder aus unterschiedlichen Schulen des Einzugsgebietes kommen.

Mit wie vielen Mitarbeiter:innen betreibt ihr das?

Aktuell sind wir mit Kitas und Schulen zusammen bei etwa 250 Mitarbeiter:innen angekommen. Auch aufgrund dieser stetigen Erweiterungen wurde bereits 2007 die asc Kinderbetreuungs gGmbH gegründet.

Und du bist da koordinierend tätig?

Genau! Ich bin für alle Schulkooperationen zuständig, meine Kollegin Christiane Meinel für den Bereich der Kitas.

Was sind da deine täglichen Aufgaben?

Eine meiner Haupttätigkeiten ist die Arbeit mit unseren neun Koordinatoren der Schulteams. Als Ansprechpartnerin organisiere ich wöchentlichen Teammeetings, separate hausinterne Besprechungen, sodass alle Beteiligten bereichsübergreifend informiert sind. Hinzu kommen Teamevents, Mitarbeitergespräche oder die Arbeit mit anderweitigen Partnern, wie den Schulleitungen oder Akteuren der Stadt Göttingen. Letztendlich ist eine qualitativ hochwertige pädagogische Arbeit in den Schulen mit möglichst viel Sport und Bewegung das Ziel.

Kannst du Schwerpunkte für eure Arbeit definieren?

Die Arbeit in den Grundschulen startet bei uns am Vormittag mit einzelnen Betreuungs- und Sportstunden. Sobald die Sporthalle frei ist, nutzen wir sie. Das ist der erste Unterschied zu manchen anderen Trägern. Wir möchten eine Verzahnung zwischen Vor- und Nachmittag. Sowohl um den Kindern Bezugspersonen über den gesamten Tag bieten zu können, als auch für eine nahe Zusammenarbeit zwischen dem ASC und dem jeweiligen Schulkollegium. Die reguläre Ganztagszeit beginnt bei uns wie an anderen Schulen mit dem Essen und den Hausaufgaben. Anschließend folgt eine mindestens 60-minütige Angebotszeit bis 15.30 Uhr. Hier gibt es ein breites Angebot aus Bewegung, Sport, Kreativität, Natur und vielen weiteren Themen. Mindestens ein Sportangebot sollte pro Tag jedoch stattfinden. Das kann alles sein, von Selbstbehauptung über Basketball bis hin zu Hip-Hop. Nach 15.30 Uhr gibt es an bestimmten Tagen noch spezielle Sportangebote für die Junior Club Kinder, wie etwa Schwimmen oder schulübergreifende Turniere. Beispielsweise gab es vor zwei Jahren ein Catch-Turnier, und wir machen auch Fangspiele der anderen Art mit sehr viel Spaß und Action.

Bietet ihr auch Schwimmstunden an?

Teilweise begleiten unsere Mitarbeiter:innen den Schwimmunterricht gemeinsam mit den Lehrer:innen. Für unsere Hortkinder haben wir zudem das bereits erwähnte wöchentliche Schwimmangebot sowie einmal jährlich einen gemeinsamen Freibadtag.

Ihr seid schon ein Vorbildverein für andere SPORT-VERNETZT-Standorte. Merkt ihr direkte Auswirkungen eurer Arbeit?

Es gibt aktuell keine Studien, die direkt auf Göttingen bezogen sind. Man merkt im Schulalltag jedoch, dass die Kinder nach Bewegungseinheiten ausgeglichener sind. Sie können sich länger konzentrieren, wenn sie vormittags zwischendurch schon sportlich aktiv waren. Außerdem bewegen sich in unseren Kitas und Grundschulen eben auch die Kinder, die aus welchen Gründen auch immer nachmittags nicht die Chance haben, in einem Sportverein aktiv zu sein. Und: Sport prägt auch für die Zukunft! Das habe ich nicht nur bei mir selbst erlebt, sondern beispielsweise auch bei einigen unserer Freiwilligendienstleistenden, die früher in einer ASC-Kooperationsschule waren und nun ihren Freiwilligendienst im Sport absolvieren. Auch treffe ich immer wieder Kinder, die im Sportverein aktiv sind und früher in der Grundschule bei uns waren.

Wie wird das alles so finanziert?

Die Kooperationen im Vormittag sowie die Trägerschaften und Junior Clubs sind über Kooperationsverträge mit der Stadt und dem Land abgedeckt. Das hilft natürlich sehr. Alles andere sind Fördermittel und ASC-Eigeninitiativen.

Was sind eure nächsten Pläne?

Ich bin aktuell mit einem Kollegen dabei, etwas für die weiterführenden Schulen zu entwickeln. Zum Beispiel Angebote im Fitnessbereich, der gerade sehr angesagt ist. Darüber hinaus schauen wir natürlich schon auf das Jahr 2026/27 und die verpflichtende Ganztagsschule. Wir bekommen viele Anfragen von Stadt- und Landkreisschulen, die jetzt vor der Aufgabe stehen, den entsprechende Ganztagsanspruch an ihrer Schule umzusetzen. Bei unseren Kooperationsschulen sind wir aktuell bei einer Ganztagsnachfrage von rund 80 Prozent. Unser Ziel ist es jedoch, ein ganzheitliches Konzept zu erstellen, das sowohl den Vormittag als auch den Nachmittag bis 16 Uhr und eine eventuelle Zusatzzeit bis 17 Uhr mit entsprechenden neuen Ideen, Visionen, Sport und Pädagogik umfasst. Ein herausforderndes, aber auch sehr spannendes Vorhaben, das große Chancen für die Zukunft bieten kann.

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