interview

„Wir brauchen mehr Safe Places für Mädchen! Wenn Mädchen unter sich sind, blühen sie richtig auf.“

Svenja Brunckhorst ist eine der bekanntesten Basketballerinnen Deutschlands. Bis zum Sommer 2024 war die frühere Kapitänin des Nationalteams aktiv am Ball. Direkt nach dem Gewinn der Goldmedaille im 3x3-Basketball bei den Olympischen Spielen in Paris wechselte sie ins Management von ALBA BERLIN. Dort ist die 33-Jährige nun zuständig für die Entwicklung des Mädchen- und Frauenbasketballs und damit beste Ansprechpartnerin dafür, wie es gelingen kann, mehr Mädchen dabei zu unterstützen, ihre eigene Sportbiographie zu schreiben.

Safe Places für Mädchen

Svenja Brunckhorst über mehr Teilhabe von Mädchen am Sport

Fotos: Tilo Wiedensohler & Florian Ullbrich

Svenja, wie bist du eigentlich zum Sport gekommen?

Ich bin als jüngste Tochter einer sehr sportaffinen Familie aufgewachsen. Meine Eltern kommen aus dem Tennis, meine Schwester hat viel Sport gemacht und so, wie man es als kleinere Schwester macht, bin ich schon früh überall mitgegangen. Das war zuerst Kinder- und Jugendsport, so eine Ballspielgruppe, dann Ballett. Das mit dem Basketball habe ich dann aber selbst entschieden.

Wie kam das?

Mit sechs Jahren bin ich zum Basketball gekommen. Meine damals beste Freundin wohnte direkt bei uns gegenüber, ihr Papa war Basketballtrainer. So bin ich zum Basketball gekommen, und es hat mir ganz viel Spaß gemacht. Das war von Anfang an das, was ich immer machen wollte.

Du hattest eine großartige Karriere als Spielerin. Wie bist du danach zu ALBA BERLIN gekommen? Es schlagen ja leider wenige Spielerinnen diesen Weg ein.

Das stimmt. Deshalb war ich auch sehr erfreut darüber, dass ALBA auf mich zugekommen ist. Und ich fand es natürlich noch besser, dass ich gefragt wurde, hier den Mädchen- und Frauenbasketball weiterzuentwickeln. Das gibt es sehr selten, und deshalb haben wir Generationen an Basketballexpertinnen verloren, weil es diese Berufsfelder nicht gibt. Wir haben zu wenig Trainerinnen, Schiedsrichterinnen, Kommentatorinnen und noch weniger Managerinnen. Nach meinem Sportmanagement-Studium war es schon mein Wunsch, einen Job in diesem Feld zu finden. ALBA war dann für mich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Ich bin da auch sehr happy. So eine Sicherheit bezüglich der eigenen Zukunft zu haben, ist für Profispielerinnen am Ende ihrer Karriere extrem wichtig.

Was denkst du, muss passieren, damit mehr Mädchen so früh wie du mit dem Sport anfangen?

Chancengleichheit und Teilhabe sind für mich die Hauptthemen. Das ist als junges Mädchen immer noch mal schwieriger im Vergleich mit Jungs. Wenn wir einfach nur die Basketball- und Fußball-Freiplätze angucken, die sind doch sehr jungslastig. Es muss viel passieren dafür, dass man dort als Mädchen den Ball bekommt, mitspielen darf, nicht als Letzte gewählt wird.

Ist es so einfach, müssen nur mehr Räume geschaffen werden?

Einfach ist es nicht, aber es ist ein guter Ansatz. Wir brauchen mehr Safe Places für Mädchen! Wir sehen es in unseren Basketballcamps. Wenn Mädchen unter sich sind, blühen sie richtig auf. Was ich höre und erlebe, ist, dass die Beteiligung von Mädchen bei gemischten Kiezcamps eher gering ist, Mädchensport-AGs an Schulen aber voll sind. Es geht um einen Einstieg. Und der kann über solche Mädchensport-Angebote gelingen.

Was siehst du als Gründe dafür?

Viele Mädchen sind einfach erst mal schüchterner, zurückhaltender, vorsichtiger. Trainer:innen berichten mir, dass solche AGs auch ganz anders ablaufen als bei Jungs. Gerade wenn du zum ersten Mal etwas ausprobierst, kann es durchaus einschüchternd sein, wenn da Menschen sind, die etwas ungestümer agieren. Stärken können nur gefördert werden, wenn sich Personen, in diesem Fall Mädchen, wohlfühlen.

Ein weiteres Problem, warum weniger Frauen aktiv im Sport sind, sind die Zahlen der Aussteigerinnen, die irgendwann die Vereine verlassen.

Ich habe genau darüber meine Bachelor-Arbeit geschrieben, weil ich das Thema spannend finde: „Gründe für den Dropout im Frauenbasketball“. Es gibt mehrere Faktoren, die da eine Rolle spielen und mehrere Altersgruppen, in denen das extrem ist, zum Beispiel die Pubertät oder auch nach dem Studium. Deshalb fehlt uns auch die Breite an Spielerinnen. Das ist wahrscheinlich einer der größten Unterschiede zwischen Frauen- und Männerbasketball. Wir verlieren so viele Frauen in diesem System, obwohl sie die Liebe zum Sport haben.

Hochinteressant. Gab es da noch mehr Erkenntnisse?

In anderen Ländern ist die Dropout-Rate nicht so hoch. In Spanien oder Serbien zum Beispiel ist Basketball oder Sport allgemein viel höher angesehen. Da geht es also vor allem um gesellschaftliche Anerkennung und auch finanzielle Absicherung. Darin sehe ich auch meine Aufgabe: Frauen wieder zurückzuholen. Manche kommen wieder zurück, nachdem sie Mütter geworden sind, viele aber bleiben dann doch ganz weg.

Wie könnten diese hohen Zahlen von Aussteigerinnen verringert werden?

Ich glaube, wenn Vorbilder entstehen, wenn eine gesellschaftliche Akzeptanz geschaffen wird. Und die Perspektiven müssen da sein, auch monetär. Es muss sich einfach auch lohnen. Es muss auch für Mädchen die Chancen geben, davon zu träumen, Profi-Basketballerin oder Profi-Handballerin zu werden, ihr Geld, und zwar in angemessener Höhe, im Sport zu verdienen.

Wie sieht das für dich im Breitensport aus?

Für mich sollte Sport einfach auch attraktiver organisiert sein, nicht in einem engstirnigen Konstrukt. Trendsportarten wie zum Beispiel 3x3-Basketball können da helfen. Die Kids heutzutage legen sich nicht gerne nur auf eine Sache fest. Sport kann ein so positiver Treiber in der Gesellschaft sein!

Zum Schluss noch einmal zurück zu dir. Wie lebt es sich als Vorbild?

Es ist eine Chance! Ich finde es immer noch surreal, wenn so viele Menschen mich erkennen oder auch Autogramme von mir wollen. Für mich ist es aber die Möglichkeit, für unsere Sportart einzustehen, Sachen klarer anzusprechen. Wenn nur ein junges Mädchen irgendwann sagt: „Ich möchte so werden wie Svenja“, dann habe ich alles richtig gemacht. Basketball hat mir sehr viel gegeben, jetzt ist es meine Zeit, etwas zurückzugeben.

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