interview

„Wir haben nach sinnvollen Möglichkeiten gesucht, wie ich meinen Schüler:innen echte Lerngelegenheiten geben kann – wo sie wirklich in Verantwortung kommen, Verantwortung für andere Menschen und auch für sich übernehmen.“

Dr. Lars Winkler ist Biologie- und Sportlehrer an der Willy-Brandt-Schule in Mülheim an der Ruhr. Mit der Hilfe von SPORT VERNETZT bildet er seine Oberstufenschüler:innen zu Sporthelfer:innen aus, die selbst Bewegung für Kids an einer Grundschule anbieten. Hier erzählt er von seinem Sportlots:innenprojekt und dem Zauber des Magic Friday.

Lars, bei SPORT VERNETZT geht es darum, aus Kindern Sportbürger:innen werden zu lassen. Wie sieht dein Ansatz aus?

Was ich mache, ist Folgendes: Als Sportlehrer habe ich eine Stunde in der Woche zur Verfügung, in der ich Sporthelferinnen und Sporthelfer ausbilden kann. Das ist die unterste Ausbildungsstufe bei uns im Landessportbund. Es gibt den Sporthelfer 1, den Sporthelfer 2 und dann die Übungsleiter-C-Ausbildung. Und diese Ausbildung berechtigt Schülerinnen und Schüler im Anschluss, AGs für andere Schulkinder anzubieten oder im Verein zu arbeiten. Das ist gewissermaßen die Eintrittskarte in die Ehrenamtlichkeit.

Was genau müssen die Schülerinnen und Schüler tun, um Sporthelfer:innen zu werden?

Also erst mal müssen sie meinen Projektkurs wählen. Ich habe die Schülerinnen und Schüler ein Jahr lang, und in diesem Jahr machen sie diese Ausbildung. Sie bekommen am Ende ein Zertifikat dafür, auch von SPORT VERNETZT. Die Vorgabe ist, 30 Theorieeinheiten zu absolvieren, also von „Wie plane ich eine Stunde?“ über „Wie funktioniert Aufwärmen?“, „Wie sieht mein Verhalten als Vorbildfunktion aus?“, „Wie ist der Landessportbund strukturiert?“ bis hin zu Themen um Vielfalt und Diversität. Das ist die theoretische Seite der Ausbildung. Aber auch SPORT VERNETZT unterstützt uns. Demnächst kommt Jürgen Maaßmann von Sport digital für eine zweitägige Fortbildung vorbei und macht meine Kiddies fit.

Und wie sieht die praktische Seite aus?

Ich versuche in meiner Ausbildung immer, die Theoriebereiche mit der Praxis zu verknüpfen. Und daraus ist dann dieses Sportlots:innenprojekt entstanden, das wir machen: Wir haben nach sinnvollen Möglichkeiten gesucht, wie ich meinen Schüler:innen echte Lerngelegenheiten geben kann – wo sie wirklich in Verantwortung kommen, Verantwortung für andere Menschen und auch für sich übernehmen. Was ja bedeutet, dass ich ein Ergebnis haben muss, das ich mit anderen teilen kann.

Und diese Verantwortung übernehmen die Kids dann als AG-Leiter:innen an der Grundschule?

Es gibt einen riesigen Bedarf in der offenen Ganztagsschule, Dinge schön zu machen und Erlebnisse für die Schulkinder zu schaffen. Die Grundschule, mit der wir kooperieren, befindet sich direkt nebenan. Der Weg zu unserer Turnhalle ist fußläufig zu erreichen. Daher war die Frage: Wie kommen wir zusammen?

Dann erzähl mal: Wie kommt ihr zusammen?

Das Einfachste war zu sagen: Wir machen freitagnachmittags eine offene Halle, in die alle Grundschulkinder kommen können und dann zwei Stunden zwischen 14 und 16 Uhr ein gutes Programm bekommen, also viel Bewegung, viel Spaß, losgelöst erst einmal von Inhalten. Die Kinder sollen hinterher nicht unbedingt einen tollen Korbleger können. Das ist gar nicht das Ziel. Sondern eher zu gucken, wie wir wirklich niedrigschwellig viele Kinder abholen können, die sich bei uns in der Halle bewegen. Wir haben also unseren Magic Friday, so nenn ich das immer.

Wie sieht euer Stadtteil aus?

Wir haben in NRW neun Standorttypen für Schulen. Wir sind Standorttyp acht, also anspruchsvoller Sozialraum, würde ich sagen. Das Vereinsleben ist bei uns eher limitiert. Wir haben viel Raum, tolle Sportstätten, die öffentlich nutzbar sind, aber organisierte Sportvereine außerhalb des Fußballs sind direkt im Stadtteil nicht so präsent.

Dann ist bei den Praxiseinheiten bestimmt ordentlich was los, oder?

Ja, klar. Es sind dann immer so 40 Kinder aus der Grundschule dabei. Und die Kinder sind wirklich toll und besonders. Wir sprechen bei SPORT VERNETZT ja auch immer über Übergänge. Und wenn ich die Kinder aus der Grundschule sehe – unsere Schulhöfe sind wie gesagt nah beieinander – dann krieg ich überall High-Fives. Die freuen sich, mich zu sehen, und das ist auch für mich ganz toll.

Und wie geht es nach der Ausbildung weiter?

Danach – und das ist etwas schade – gehen die Schüler:innen ein bisschen verloren. So ist das derzeit leider noch. Wir haben noch nicht die Strukturen zum passenden Verein, in dem sie dann weiterarbeiten können. Aber: Dieses Jahr hatte ich 10 Schüler:innen, die sich dafür interessiert haben, im kommenden Jahr habe ich 20 Schüler:innen, die mitmachen wollen. Und ich bin mir sicher: Je mehr ich habe, desto besser kann das mit dem Weitervermitteln klappen.

Wäre das Modell denn auch auf andere Regionen übertragbar?

Bei uns in Nordrhein-Westfalen heißt das Angebot vom LSB Sporthelfer:innenausbildung. In anderen Bundesländern, Niedersachsen zum Beispiel, Sportassistent. Das gibt es verbandsübergreifend. Einen festen Kurs zu bilden, den Schüler:innen verpflichtend besuchen können, um diese Ausbildung zu machen, das ist damit auch für jedes andere Bundesland umsetzbar, denke ich. Es ist am Ende kein Hexenwerk.