interview

„Lasst uns etwas gemeinsam entwickeln! Wenn jedes Kind Sport machen kann und darüber vielleicht ein bisschen besser in die Bildung kommt, ist uns allen geholfen.“

Als Fußballprofi hütet Stefan Wessels das Tor des FC Bayern München, spielt in der Champions League und der Premier League. Schon während seiner aktiven Zeit entdeckt er seine Leidenschaft für die Ballschule. Nach seiner Karriere gründet er in Osnabrück die Ballschule BaKoS.

Fotos: Ivka Wessels

Herr Wessels, mit welchen Bällen sind Sie groß geworden?

Ich bin in Lingen im Emsland aufgewachsen, in der Nähe der holländischen Grenze. Bei mir war es sehr schnell der Fußball. Ich bin 1979 geboren und die Weltmeisterschaft 1986 mit Toni Schumacher im Tor war mein Schlüsselerlebnis. Meine Eltern hatten mit Fußball gar nichts am Hut. Mit Schulfreunden kickte ich klassisch auf dem Bolzplatz – nach der Schule, bis es dunkel wurde. Ich hatte aber das Glück, auf einem Gymnasium zu sein, das schon in Richtung sportfreundliche Schule ging und wo wir als Schulmannschaft ganz viel gemacht haben. Wir haben Handball gespielt, Volleyball, Fußball sowieso, Leichtathletik. Fußball hat mir zwar am meisten Spaß gemacht, aber wir sind zum Beispiel bei "Jugend trainiert für Olympia" Vize-Niedersachsenmeister im Volleyball geworden.

Profitierten Sie als Leistungssportler später von dieser Grundausbildung?

Das ist schwierig zu sagen. Aber es ist generell richtig, dass eine Zweitsportart total gut ist, weil du verschiedene Bewegungsmuster hast. Im Verein spielte ich damals nur Fußball, aber wir haben andere Sachen in der Freizeit ausprobiert.

Wann haben Sie die Ballschule BaKoS gegründet?

Die Gründung kam nach meinem Karriereende. Als ich ein halbes Jahr einen Verein suchte, war mein Sohn gerade drei Jahre alt und besuchte ein klassisches Vater-Mutter-Kind-Turnen. Beim ersten Fußballtraining haben wir den Übergang von der Erzieherin zum klassischen Fußballtrainer erlebt. Der Trainer sprach von Jahrgängen und wollte den Kindern Spielsysteme erklären, was natürlich überhaupt nicht funktioniert hat. Kurze Zeit später wurde ich gefragt, ob ich das Fußballtraining für die Kinder übernehmen möchte. Ich habe gerne zugesagt und sehr schnell gemerkt, dass es für drei-, vierjährige Kinder viel zu einseitig ist. Zu dieser Zeit stellte mir meine Cousine aus Bremen das Konzept der Ballschule vor. Ich fand das super und habe mich ein bisschen ausprobiert, sodass die Kinder generell mit Bällen spielen, ihre Beweglichkeit, Koordination und Motorik schulen. Nach tollen Kontakten mit den Ballschulkollegen aus Heidelberg und Hamburg habe ich mich entschlossen, dass das eine gute Idee für Osnabrück ist, wo wir BaKoS ins Leben riefen.

Wie sieht euer Angebot in Osnabrück aus?

Mittlerweile fangen wir mit 1,5 bis 3 Jahren an und binden die Eltern mit ein. Dann geht es über in verschiedene Angebote im Kindergartenbereich, das Ballschul-ABC im Grundschulbereich, bis hin zu sportart-gerichteten Ballschulen. Neben der Ballschule Fußball gibt es mittlerweile die Ballschulen Handball, Volleyball und bald auch Basketball. Im Prinzip geht es darum, verschiedene Bälle kennenzulernen, viel zu spielen, sich auszuprobieren. Im Laufe der Grundschulzeit sagen die Kinder dann selbst, ich habe Bock auf diese oder jene Sportart.

Dafür sind die Übergänge vom Kindergarten, zur Grund- und dann zur Oberschule wichtig.

Genau! Daher versuchen wir, unsere Angebote zwischen Kindergarten und Grundschule weiterzuführen, damit nicht irgendwann ein harter Cut kommt.

Wie arbeitet ihr mit den lokalen Bildungsinstitutionen zusammen?

Bisher kooperieren wir neben den vielen Sportvereinen hauptsächlich mit Kindergärten und Grundschulen und einer Oberschule. Am Anfang wurden wir von vielen Vereinen als Konkurrenz angesehen. Mittlerweile sehen die Vereine, dass wir die Kinder vorbereiten und dass sie dann später dauerhaft im Verein bleiben.

Ist BaKoS hauptsächlich im Nachmittagsbereich aktiv oder geht ihr in die Kitas und Schulen?

Wir sind bei Vereinen im Nachmittagsbereich, in Kitas meist vormittags und an Schulen im AG-Bereich. Wir haben keine eigene Halle, sondern fahren zu den Institutionen und gucken, wann und wo Bedarf besteht.

Wie kann man sich eine Einheit bei BaKoS exemplarisch vorstellen?

Wir bauen relativ wenige Bewegungslandschaften auf, außer bei den ganz Kleinen. Wir probieren viele Spiele aus und in den Spielen erfüllen die Kinder dann ganz automatisch vielfältige koordinative Aufgaben. Wir handeln nach dem Motto: „Spielen macht den Meister“. Natürlich sind auch einige Übungen dabei, aber es geht vor allem ums Ausprobieren, dass die Kinder implizit lernen können, dass wir nicht zu viel korrigieren, nicht zu viel instruieren.

Wer sind eure Trainerinnen und Trainer?

Bisher hauptsächlich Studierende, wir haben ein Trainerteam von 20 bis 25 Leuten. Wir wollen es weiter professionalisieren, um die nächsten Schritte zu machen.

Sind Sie selbst noch ins Training eingebunden?

Ich springe immer mal ein oder bin dabei, wenn wir Events veranstalten wie z.B. verschiedene Aktionstage. Aktuell planen wir zudem unser zweites KinderSportFest, mit dem wir eine öffentliche Sportanlage für die Stadt Osnabrück einweihen dürfen.

Ihr engagiert euch mit SPORT VERNETZT verstärkt im Osnabrücker Stadtteil Schinkel. Warum?

Wir sind immer schon verteilt in ganz Osnabrück aktiv. Mit SPORT VERNETZT haben wir geguckt, wo wir uns verstärkt engagieren könnten. Der Schinkel hat einen total großen Charme. Schinkelaner lieben ihren Kiez. Für Außenstehende wirkt das Viertel sehr eng bebaut mit relativ vielen Wohnungen und wenig freien Flächen für Kinder. Es gibt einen hohen Migrationsanteil. Die Sporthallen liegen alle am Rand des Viertels, die Vereine außen herum. Die Kinder brauchen Angebote!

Was ist eure Vision für den Stadtteil?

Unsere Vision ist ein Schinkel bzw. später Osnabrück, in dem jedes Kind, unabhängig von seiner Herkunft, durch die Kraft des Sports sein volles Potenzial entfaltet. Wir träumen von einer Gemeinschaft, die durch Bewegung vereint wird, Barrieren abbaut und Bildung für alle zugänglich macht. Sport soll als Brücke zu Chancengleichheit und Integration wirken und so eine strahlende Zukunft unserer Kinder ermöglichen. Das kann natürlich über die Ballschule hinausgehen und z.B. Schwimmen, Tanzen oder Kampfsportarten umfassen.

Noch eine persönliche Frage zum Schluss. Sie sind Torwarttrainer der U-20-Nationalmannschaft beim DFB. Wie verbinden Sie Ihr Engagement im Breitensportbereich mit dem Leistungssport?

Es ist eine sehr schöne Ergänzung und Abwechslung, weil es halt etwas komplett Unterschiedliches ist. Mit der Ballschule konnten wir vieles neu anstoßen und haben jetzt fast 1.000 Kinder, die wir wöchentlich betreuen dürfen. Diese Entwicklung zu beobachten, ist großartig. Und trotzdem liebe ich es auch, Torhüter auf Ihrem Sprung in den Profifußball zu begleiten.

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